VDI-Experten empfehlen vielfältigere Ansätze bei der Verkehrssicherheit. Das EU-weite Ziel einer Reduzierung der Verkehrstotenzahlen um die Hälfte zwischen 2010 und 2020, welches der VDI in seiner 2011 veröffentlichten „Berliner Erklärung zur Fahrzeugsicherheit“ unterstützt, erweist sich nun zumindest in Deutschland als anspruchsvoller als gedacht. Der lang anhaltende Trend zu weniger Todesopfern seit 1991 war in hohem Maße auf den verbesserten Insassenschutz in Pkw zurückzuführen. Pkw-Insassen stellen heute nur noch etwa die Hälfte der Verkehrstoten.
Entsprechend geraten ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Zweiradfahrer zunehmend in den Fokus. Sie verunglücken zwar zumeist in Unfällen mit PKW oder Nutzfahrzeugen, sind aber durch Aufprallmaßnahmen an Fahrzeugen nur schwer zu schützen. Langfristig werden Fahrerassistenzsysteme helfen, Unfälle mit ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern und Radfahrern zu vermeiden und komplexe Verkehrssituationen wie Kreuzungen zu entschärfen, deren Anteil am Unfallgeschehen steigt. Allerdings dauert die Marktdurchdringung solch neuer Systeme mehrere Jahrzehnte – darüber waren sich die VDI-Experten einig. Spektakuläre Fortschritte, wie früher bei der Einführung der Anschnallpflicht in Deutschland, wird es durch neue Fahrzeugtechnologiendaher nicht kurzfristig geben.
Der Expertenkreis des VDI – Fachleute aus Unfallforschung, Industrie und Hochschule – empfiehlt daher eine Vielzahl von Ansätzen parallel zu verfolgen. So sollten bei der Umgestaltung von Infrastruktur besonders innerorts grundsätzlich Unfallforscher zurate gezogen werden, um die Entstehung künftiger Gefahrenherde zu vermeiden. Erziehung und Aufklärung von Verkehrsteilnehmern sollte verstärkt werden, um neue Gefahren wie etwa durch demographischen Wandel und mobile Internetnutzung zu adressieren.
Besonderes Augenmerk verdient der Trend zu den sogenannten Pedelecs (oder E-Bikes), mit denen auch Untrainierte deutlich höhere Geschwindigkeiten erreichen als normale Radfahrer, und deren Fahrer schwerer verunglücken, aber sich nicht besser schützen als Radfahrer. Die zunehmende Beliebtheit dieser Fahrzeuge lässt einen künftigen Anstieg an tödlichen Unfällen befürchten.
Auch bei den Nutzfahrzeugen sind noch ungenutzte Potenziale zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer zu heben, etwa bei der Überwachung des toten Winkels. Immerhin jeder vierte Verkehrstote stirbt bei einem Unfall, an dem ein Nutzfahrzeug beteiligt ist. Fahrerassistenzsysteme im Nutzfahrzeug könnten durch entsprechende gesetzliche Vorgaben wegen der überwiegend kürzeren Haltedauer relativ rasch auf die Straße gebracht werden, müssen allerdings auf die Bedürfnisse der Berufskraftfahrer ausgelegt sein, forderten die VDI-Experten.